Die Bienenkiste

Freude an Bienen mit der Bienenkiste

Viele Menschen beschäftigen sich aktuell mit der schwierigen Lage der Bienen und der dadurch möglicherweise zu erwartenden Ernteeinbußen. Auch wenn die Menschheit durch ein Verschwinden der Bienen vermutlich nicht aussterben würde, hatte ich trotzdem das Gefühl, etwas für den Naturschutz und die biologische Vielfalt tun zu können, indem ich Bienen halte.

Immer mal wieder habe ich in der Vergangenheit darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, auf dem Grundstück unseres Hauses (500qm) Bienen zu halten. Vielleicht würde das die Artenvielfalt und die Obsternte steigern. Andererseits ist die Bebauung städtisch und doch recht eng. Was würden die Nachbarn sagen?

An Weihnachten 2012 entdeckte ich bei der Recherche nach Wildblumensamen für eine Wildblumenwiese bei mir am Hause eine Anzeige für die Bienenkiste. Aus Neugier klickte ich darauf. Ehrlich gesagt erschien mir die Webseite dazu so unübersichtlich, dass ich mir das Buch zur Bienenkiste kaufte, um einen Überblick zu bekommen. Das Buch ist nicht dick und erinnert von der Aufmachung und Schriftgröße eher an ein Kinderbuch. Vielleicht soll dadurch suggeriert werden, wie einfach die Haltung von Bienen in der Bienenkiste ist. In jedem Fall war ich nach der Lektüre Feuer und Flamme dafür.

Was ist die Bienenkiste?

Die Bienenkiste ist die Weiterentwicklung des Krainer Bauernstocks, wie er vom Balkan bekannt ist. Letzten Endes handelt es sich also um eine Hinterbehandlungsbeute. Das war für mich allerdings sekundär. Mir gefiel die hinter der Bienenkiste stehende Philosophie, die unter anderem auf den nachstehenden Prinzipien beruht:

  • Die Eingriffe in das Bienenvolk sind so gering wie möglich zu halten
  • Die Besiedlung erfolgt über einen Schwarm; die Waben werden im Naturbau erstellt
  • Die Bienen behalten den für den Winter notwendigen Honigvorrat; der Imker übernimmt nur Überschüsse
  • Der Schwarmtrieb wird nicht unterdrückt und auch die Drohnenwaben werden nicht unbedingt herausgeschnitten

Aus all diesen Punkten resultiert eine sehr wesensgemäße und naturnahe Bienenhaltung, die nicht dazu dient, kommerzielle Interessen wie den Honigverkauf zu verfolgen.

Der Start mit der Bienenkiste

Nachdem ich das Buch zur Bienenkiste gelesen und die Entscheidung für die Bienenhaltung getroffen hatte, kontaktierte ich den Vorsitzenden des Idsteiner Imkervereins, den ich beruflich kennen und schätzen gelernt hatte. Offen gestanden hatte ich Bedenken, ob ein traditioneller Imker mich bei den ersten Schritten mit einer unkonventionellen Art der Bienenhaltung unterstützen würde. Zu meinem Erstaunen bekam ich im ersten Jahr mit der Bienenkiste jede nur erdenkliche Unterstützung. Dazu später mehr.

In jedem Fall gab mir das die Sicherheit, die Bienenkiste zu kaufen. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, die Kiste selbst zu bauen. Ratsam ist dann aber eine gut ausgestattete Holzwerkstatt und entsprechend viel Zeit und handwerkliches Geschick. Außerdem ist nicht jedes Holz und jede Farbe dafür geeignet; eine gut sortierte Holzhandlung in der Nähe ist also auch von Vorteil.

Mit der Bienenkiste erwarb ich alles, was ein Imker im ersten Jahr brauchen könnte: Imkerbluse, Stockmeißel, Smoker, Holzspäne, Bienenbesen, Sprühflasche, Futter, Ameisensäure, etc.

Warten auf den Schwarm

Viele Imker mit Bienenkiste bieten abgehende Schwärme auf einer Schwarmbörse an. Bienenkistenanfänger registrieren sich dort und werden mit einer sms benachrichtigt, sobald sie einen Schwarm einfangen können. Selbstverständlich wird ein Schwarm bezahlt – schließlich stellen die Bienen mit ihrer Königin ja einen Wert dar. Den Preis kann jeder Käufer selbst festlegen. Wer Glück hat, bekommt vom Altimker Hilfe beim Einfangen des Schwarms. Ansonsten sind Schwarmfangbeutel und Schwarmkiste hilfreich.

Das Jahr 2013 war zu Beginn kein Bienenjahr. Zur Zeit der Obstblüte flogen kaum Bienen, weil es so nass und kalt war. Auch wenn es überall grünte und blühte: die Bienen blieben im Stock und viele Imker mussten nach dem Winter länger füttern, damit ihre Bienen nicht Hunger litten. Als die Schwarmzeit begann, wartete ich ungeduldig auf „meinen“ Schwarm. Mir war klar, dass die Bienen umso schwerer über den nächsten Winter kommen würden, je länger sich das Einlogieren hinauszögerte. Schließlich müssen erst Waben gebaut werden, bevor die Königin sie bestiften und für Nachwuchs sorgen kann. Und bis dahin sterben die Bienen, die ja nur eine Lebensdauer von vier bis sechs Wochen haben. Also schrumpft das Volk, kann nicht so viele Waben bauen, keinen Nektar sammeln und ihn für den Winter einlagern.

Bienen einlogieren

Mit meinem Imkerpaten vereinbarte ich, dass er mir ein baustarkes Volk zur Verfügung stellen würde, dass wir gemeinsam in die Bienenkiste einlogieren. Das ist nicht nach Lehrbuch, aber wir hatten beide Bedenken wegen der schlechten Witterung. Und selbst als wir uns auf dieses Vorgehen geeinigt hatten, dauerte es noch mehrere Wochen, bis ein passender und warmer Tag gefunden war. Den richtigen Standort auf unserem Grundstück zu finden, war ebenfalls nicht einfach. Wir entschieden uns für das erste Jahr gegen das Garagendach und für den Rasen; ich brachte jedoch zur Sicherheit einen Sichtschutz aus Schilfmatten zu den Nachbarn an, damit die Bienen nicht durch den Zaun über deren Grundstück abflogen.

Bei einem Naturschwarm wird dieser einfach auf einer Rampe mit seitlicher Begrenzung in die Bienenkiste einlaufen lassen. Das ist ein beeindruckendes Schauspiel, das bis zu zwei Stunden dauern kann. Die Kundschafter-Bienen finden die neue Behausung von sich aus. Mein Imkerpate und ich wollten hier jedoch auf Nummer sicher gehen, weil wir ja ein komplettes Volk und keinen Schwarm umziehen wollten. Also öffneten wir die Magazinbeute meines Imkerpaten und entnahmen nach und nach die Waben. Die Wabe mit der Bienenkönigin stießen wir direkt in die Bienenkiste ab; alle anderen auf die Rampe vor der Bienenkiste. Wie wir richtig erwartet hatten, folgte das Volk der Königin. Ein Besprühen mit Wasser verhinderte ein Verfliegen des Volkes. Nichtsdestotrotz gab es viel Furor, weil es sich um ein starkes Volk handelte. Bei der Gelegenheit bekam ich meinen ersten und bis dato einzigen Stich ab: am Fußknöchel, wo eine Biene zwischen Fuß und Schuh geraten war. Seitdem darf ich feststellen, dass die Bienenkiste eines ihrer Versprechen erfüllt: die wesensgerechte Bienenhaltung sorgt für entspannte Bienen – auch bei schwülen oder gewittrigen Wetterlagen, wo Bienen eher mal unlustig sind.

Die ersten Tage mit der Bienenkiste

Am Abend des Einlogierens waren so viele Bienen unterwegs, dass gar nicht alle den Weg in das schon großzügig bemessene Einflugloch der Kiste fanden. Vor Einbruch der Dunkelheit kehrte ich also alle Bienen außerhalb von der Stirnwand der Bienenkiste ab und auf das Flugbrett. Mit der Dunkelheit hatten fast alle Bienen ihr neues Zuhause bezogen. Wieder entgegen dem Lehrbuch begann das Volk mit dem Wabenbau nicht im vorderen Bereich am Flugloch, sondern im hinteren Bereich der Bienenkiste. Mit den Bienen kam das schöne und heiße Wetter im Juni: Das zu Beginn starke Volk flog eifrig aus und sammelte die für den Wabenbau und das Überleben notwendige Futter. Schon bald waren in der dichten Bienentraube die ersten schneeweißen und wunderschön gleichmäßigen Waben zu sehen. Der Eintrag von Pollen war ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Königin die wenigen vorhandenen Waben bereits bestiftete. Jetzt konnte ich stundenlang sogar dicht vor dem Flugloch sitzen und den Bienen bei der Arbeit zusehen. Selbst das Rasenmähen um die Bienenkiste störte das Volk nicht im Mindesten. Zur Unterstützung in den ersten Tagen stellte ich eine Packung Futterteig in den Stock.

In Sorge um das Volk

Es ist erstaunlich, wie schnell einem das wuselige Bienenvolk ans Herz wächst. Nachbarn, Freunde und Familie nehmen Anteil am Wohlergehen. Das ist merkwürdig insofern, als ich nie Haustiere haben wollte – höchstens Nutztiere. Und Bienen sind ja eigentlich sogar Wildtiere. Nichtsdestotrotz sind die Bienen kleine Sympathieträger.

Nach etwa zwei Wochen war das anfangs starke Volk doch merklich geschrumpft. In der Spitze hatte ich 85 Starts pro Minute. Diese Flugbewegungen und auch die Bautätigkeit waren zurückgegangen. Der abendliche Blick mit der Taschenlampe in die Flugöffnung steigerte meine Bedenken genauso wie das Öffnen der Bienenkiste von hinten. Selbst der Futterteig lag fast unberührt da – obwohl solch ein 2,5kg Pack innerhalb einer Woche verbraucht sein sollte. Mein Imkerpate stellte richtig fest, dass das Volk zu schwach war, nicht mehr ausreichend Flugbienen hatte, und die trockene Hitze das Lösen und Verarbeiten des Futterteigs für die Bienen sehr schwierig machte. Der Blick auf die Magazinbeuten der anderen Neuimker des Neuimkerpraktikums des Imkerverins Idsteiner Land ließ zwar keine Zweifel am Konzept der Bienenkiste an sich in mir keimen, jedoch noch mehr Sorge um das Überleben des Volkes im Winter. Das sonnige Wetter hatte bei den anderen Neuimkern, die ja teilweise mit Brutwaben gestartet waren, eine prächtige Entwicklung der Völker zur Folge.

Was tun zur Rettung des Volkes?

Nachdem auch mit dem Schlüpfen der ersten Brut die Zahl der Flugbienen und der Wabenbau nicht signifikant zunahmen, schlug mein Imkerpate etwas Neues vor: Wir würden aus einem seiner Völker Flugbienen entnehmen und meinem Volk zusetzen. Aufgrund der Entfernung sollte das gehen; die Bienen würden nicht von Wiesbaden nach Idstein zurückfinden. Was wir nicht wussten: wie würden die Bienen in der Bienenkiste auf die Neuankömmlinge reagieren? Als Mitgift wollten wir sie deshalb ein wenig mit Nektar bespritzen. Wer sein Essen mitbringt, wird ja vielleicht lieber gesehen als ein Haufen hungriger Bienen. Also stießen wir aus dem Honigraum einer Magazinbeute die Flugbienen mehrerer Waben in eine Kiste, die ich dann nach Wiesbaden überführte. Die Bienen bekamen eine gehörige Portion Nektar mit ab, weil dieser noch recht flüssig war. Zwar mussten wir deshalb die Bienen nicht mit Nektar benetzen; durch die schiere Menge Flüssigkeit verklebte aber eine Menge Flugbienen und schaffte es nicht bis in die Bienenkiste hinein. Einige der Neuankömmlinge wurden auch eher mit Stichen begrüßt als willkommen geheißen. Nichtsdestotrotz waren bis zum Einbruch der Dunkelheit die neuen Flugbienen in der Bienenkiste.

Die Natur holt alles auf

So schlecht wie der Anfang des Jahres gewesen war, so schön waren die Sommermonate. Kaum Regen, viel Sonne, hohe Temperaturen. Die neuen Flugbienen halfen, die Zeit bis zum Schlüpfen einer größeren Anzahl neuer Bienen zu überbrücken. Zugleich hatte ich den Futterteig in Wasser gelöst und als Flüssignahrung bzw. wahlweise Zuckerwasser verabreicht. An Spitzentagen schaffte das Volk fast anderthalb Liter davon. Beim Blick in die Bienenkiste war zudem deutlich zu erkennen, wie der Wabenbau sich weiterentwickelte. Obwohl Altimker sagen, dass es im Hoch- und Spätsommer nicht mehr viel Nektar und Pollen gibt, trugen meine Bienen weiterhin viel Nahrung ein. Das ist sicherlich einer der Vorteile in einem urbanen Gebiet, in dem es in den Gärten rund ums Jahr blüht. Enttäuscht haben mich meine Bienen im eigenen Garten: Die Himbeeren werden von Wildbienen bestäubt; der Lavendel von Hummeln und in der extra angelegten Wildblumenwiese tummeln sich die Falter. Von meinen Bienen keine Spur. Sie fliegen aus ihrem Stock und hoch und gleich über die Häuser weg. An den heißen Tagen nahmen sie noch nicht einmal die Tränke an. Wilde Tiere eben.

Die Varroa-Milbe in der Bienenkiste

Mitte Juli legte ich den Bienen eine „Windel“ – in diesem Fall ein weißes Stück Papier – unter, um zu prüfen, wie viele Varroa-Milben von den Bienen abfielen. Auch nach einer Woche war nicht eine einzige Milbe abgefallen. Anfang August wiederholte ich die Varroadiagnose mit der Puderzucker-Methode. Davor war ich aufgeregt und neugierig, weil das nur funktioniert, indem man die Bienenkiste komplett öffnet und nicht nur am hinteren Ende. Die ganze Zeit vorher hatte ich auf diese Öffnung verzichtet, um zu verhindern, dass die neu gebauten und noch instabilen Waben von den Anfangsstreifen an der Decke der Bienenkiste abreißen und kaputt gehen.

Als ich die Bienenkiste öffnete, staunte ich nicht schlecht: Selbst mit meiner extra angeschafften Endoskop-Kamera hatte ich nicht erkennen können, dass die Bienen mittlerweile schon die neunte Wabe angefangen hatten und im vorderen Raum schon die Waben in Richtung Flugloch erweitert hatten. Der Wabenbau und auch die Volksstärke hatten ganz klar die notwendige Masse für eine kritische Überwinterung erreicht.

Beim Abstoßen der Bienen vom Bodenbrett für die Varroa-Diagnose flogen viele Bienen auf; aber mit Wasser besprühen konnte ich sie nicht, weil für die Puderzuckermethode trockene Bienen unabdingbar sind. Statt 50g Bienen (und das sind mehr als nur 50 Stück) schaffte ich nur 30g. Die Bienen wurden mit Puderzucker bestäubt, dann geschüttelt; der abgefallene Puderzucker in Wasser aufgelöst. Auch hier wieder Fehlanzeige: keine einzige Milbe.

Hier kommt ein weiterer Vorteil der Bienenkiste zum Tragen: Im ersten Jahr kann das Wabenwerk noch nicht mit der Milbe belastet sein, weil es neu erstellt werden muss. Und auch mit dem Schwarm kommen in der Regel gesunde Bienen ohne Varroa in den Stock. Wenn im September das Volk noch immer gesund ist, kann man ihm sogar die Behandlung mit Ameisen- und Oxalsäure ersparen.

Vorbereitung auf den Winter und ein (vorläufiges) Fazit

Mit der fast beendeten Winterfütterung bin ich zuversichtlich, dass mein Bienenstock gut über den Winter kommt und im nächsten Jahr die gesamte Bienenkiste ausbauen wird. Dann gibt es den ersten eigenen Honig.

Mein persönliches Fazit der ersten Gehversuche mit der Bienenkiste: In einem dermaßen schwierigen Bienenjahr zu beginnen, ist ein Risiko. Wer Geduld hat, sollte die Sache um ein Jahr schieben. Mittlerweile bin ich froh, dass ich mich im ersten Jahr nicht habe entmutigen lassen. Die Mühen haben sich gelohnt und die Bienen bereiten mir mit ihrer Friedfertigkeit und Lebhaftigkeit jeden Tag viel Freude. Jeden Morgen und jeden Abend verbringe ich ein paar Minuten vor dem Stock und finde Ruhe und Entspannung. Ich hoffe, dass das Konzept der Bienenkiste mit allen Vorteilen im zweiten Jahr voll zum Tragen kommt. Dann wäre Biene wie Mensch gedient